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Musik und Salz im Salzkammergut

Salz und Musik sind zentrale Bausteine, die das kulturelle Selbstverständnis des Salzkammerguts prägen. Während Salz als wirtschaftlicher Motor und identitätsstiftendes Symbol das Leben der Menschen bestimmte, entwickelten sich Musik und ‚Brauchtum‘ zu einem Ausdruck des gemeinschaftlichen Zusammenhalts. Im Kontext der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 wird diese Verbindung neu inszeniert: Traditionelle und moderne Aufführungen zeigen, wie sich regionale Identität zwischen ,Bewahrung‘ und Innovation bewegt.

Von den Klängen der Salzarbeiter:innen bis zu Hubert von Goisern – Wie Musik und Salz eine Region prägen und zur kulturellen Identität beitragen

Gosausee (Foto © B. Cortes-Lehner)

Das Salzkammergut und seine Identität

Das Salzkammergut ist nicht nur für seine beeindruckende Natur bekannt, sondern auch für die Salzproduktion. Die Bedeutung des Salzes zeigt sich nicht nur ökonomisch, sondern auch in zahlreichen Bräuchen und Traditionen, die bis heute gepflegt werden. Die Identifikation mit einer Region wird durch Symbole, Orte und Erlebnisse gestärkt, die emotional aufgeladen sind und soziale Zugehörigkeit vermitteln (vgl. Ipsen 1993: 12). Das Bild der Region Salzkammergut ist besonders durch die Salzproduktion geprägt. Neben Salzbergbau und -produktion haben sich dem Wiener Historiker Thomas Hellmuth zufolge (2015: 95), der sich in seiner Forschung intensiv mit dem Salzkammergut beschäftigt hat, verschiedene weitere Kennzeichen wie die Holzarbeit, Natur und Landschaft zu regionalen Identitätsbausteinen‘ entwickelt haben.

Das zentrale identitätsstiftende Element im Salzkammergut ist das Salz, dessen Abbau und Produktion auch die lokale Holzwirtschaft prägte. Die Salzvorkommen, die seit über 250 Millionen Jahren in den Bergen lagern, wurden im Mittelalter zur wirtschaftlichen Grundlage der Region. Salz formte die sozialen und kulturellen Strukturen und wurde ein wesentlicher Bestandteil des Selbstverständnisses der Bevölkerung. Laut dem Soziologen Detlev Ipsen (1993: 10ff.) ist regionale Identität mit materiellen und sozialen Bedingungen verwoben und entwickelt sich historisch. So schuf die Salzgewinnung einen Zusammenhalt im Salzkammergut, der auf diese Ressource als identitätsstiftendes Element baute.

Salz als Identitätsstifter einer Region

Im 18. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung des Salzes mit der Industrialisierung allmählich. Die Salzproduktion verlor an wirtschaftlicher Bedeutung, was soziale und kulturelle Anpassungsprozesse erforderlich machte (vgl. Hellmuth 2015: 99). Die Salzarbeiter:innen pflegten weiterhin salzbezogene Traditionen und passten sich durch neue Organisationsformen an die veränderten Verhältnisse an (ebd.: 100). Dabei wurden kulturelle Traditionen teils folkloristisch überformt, um sie in moderne Gesellschaftsstrukturen zu integrieren (ebd.: 100).

Elemente der Salzarbeiterkultur fanden vielfältig Eingang in die regionale Selbstpräsentation. Die Gründung von Musikvereinen trug im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts dazu bei, die musikalischen Talente der Einheimischen, insbesondere der Salzarbeiter:innen, zu fördern und gleichzeitig ihre Arbeit zu folklorisieren (Hellmuth 2015: 105). Das bürgerliche Vereinswesen eignete sich die kulturellen Traditionen der Salzarbeiter:innen an und interpretierte sie neu. So trugen Vereinsmitglieder bei öffentlichen Auftritten den traditionellen Bergkittel bzw. eine bergmännische Tracht oder bergmännische Uniform (ebd.: 106). Dies festigte die regionale Identität, wobei Musik und Tracht als zentrale Ausdrucksmittel dienten (ebd.). Durch lokale Feste und Veranstaltungen wurde gesellschaftliche Einheit gefeiert und das Gefühl von Stabilität und Zusammengehörigkeit in einer sich wandelnden Welt vermittelt (ebd.). Obwohl die Salzarbeiterschaft im Zuge der Industrialisierung an Bedeutung verlor, blieben die Salinenmusikkapellen ein charakteristischer Teil des Salzkammerguts. So ist die Salinenmusikkapelle Ebensee nach wie vor ein regelmäßig bei diversen Anlässen in Erscheinung tretender musikalischer Akteur. Es handelt sich bis heute um wichtige Akteure des gesellschaftlichen Lebens, die sich zum Beispiel bei Erstkommunionen, beim Frühschoppen am Fronleichnamstag oder beim Tag der Blasmusik am 1. Mai beteiligen und regelmäßig Parkkonzerte im Rathauspark in Ebensee bieten (Salinenmusik Ebensee, o. D.).

Auch im Kontext der Kulturhauptstadt werden das Salz und seine Geschichte vielfältig thematisiert. So kooperierten 22 regionale Museen wie das Heimatmuseum Bad Goisern mit dem Naturhistorischen Museum Wien, um die Website Salzzeit. Salzkammergut Connected History für das Kulturhauptstadtjahr zu erschaffen. Bei einem Besuch der Website können Besucher:innen in einer Sammlung von 42 Filmen, 107 3D-Objekten, 120 Bildern und Fotos sowie 250 Textinformationen mehr über den Salztransport, die Holzarbeit sowie die Kulturgeschichte des Salzkammerguts erfahren. Mit Hilfe von 3D-Animationen können sich die Besucher:innen auf eine Zeitreise begeben, auf der sie unter anderem über die urgeschichtlichen Salzträgerinnen, die Pferdeeisenbahn sowie den heutigen Transport des Salzes mit dem LKW informiert werden. Der virtuelle Museumsbesuch wird von mystischer bzw. esoterischer Musik begleitet. Die Ausstellung präsentiert ein zurechtgeschnittenes Geschichtsbild, das durch einzelne herausgehobene Exponate geprägt ist (vgl. Niewerth 2020: 523). Salz und seine Geschichte werden dabei als touristisches Erlebnis inszeniert und vermarktet, indem beispielsweise das Salzbergwerk Hallstatt in einem kurzen Film von einem Touristenführer in historisch anmutender Knappenuniform vorgestellt wird. Ein weiterführender Link bringt die Besucher:innen dann auf die Website des Salzbergwerks Hallstatt, wo sie Eintrittskarten für einen realen Besuch der Salzwelten erwerben können.

@salzkammergut2024 [youtube]

Sobald sich die Besucher:innen auf die Website begeben, bewegen sie sich mit einem Avatar in verschiedene Themenfelder des Museums. Nun können sie wählen, ob sie mehr über die Holzarbeit, die Salzzeit Museen, die Kulturgeschichte oder die Ökologie erfahren möchten. Websites wie Salzzeit.at werden so gestaltet, dass sie die Besucher:innen möglichst lange auf der Seite halten. In diesem Fall müssen die Besucher:innen den Avatar zum Eingang zu einem Themenbereich führen, indem sie die Pfeiltasten ihres Computers dementsprechend steuern. Sobald sie den Raum ‚Ökologie‘ mit ihrem Avatar betreten, sehen sie am Ende des virtuellen Raums ein Relief des Eiszeit-Modells. Auf einem Informationsschild werden die Besucher:innen darauf hingewiesen, dass die Gletscher im Salzkammergut schmelzen. Die Informationsschilder sind kurz und knapp gehalten.

Inszenierungen wie diese wollen möglichst viele Besucher:innen ansprechen und konkurrieren mit anderen Angeboten. Diesbezüglich hat der Architekt und Stadtplaner Georg Franck (1998) das Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie entwickelt, dem sich Städte, Orte und Regionen stellen müssen. Es betrachtet die Aufmerksamkeitsspanne von Menschen als eine knappe und wertvolle Ressource, die auf einem Markt konkurriert und gehandelt wird.

„Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen. Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblasst der Reichtum neben der Prominenz.“

(Franck 1998: 10)

Entsprechend werden Orte und Regionen gezielt inszeniert und mit Events bespielt, um wahrgenommen zu werden (vgl. Prischnig 2011: 87). Im virtuellen Raum der Salzzeit Museen finden die Besucher:innen eine topografische Karte des Salzkammerguts vor, auf welcher die einzelnen Museen eingezeichnet sind. Zusätzlich stehen Videos bereit, in welchen sich beispielsweise die Salinen Austria AG mit einem Werbevideo vorstellen.

Spätestens seit den 1990er-Jahren beschäftigen Fragen regionaler Identität und Inszenierung die Wissenschaften. Der Soziologe Detlev Ipsen stellte 1993 die These auf, dass ‚Raumbilder‘ eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung und Identifikation mit einer Region spielen (vgl. Ipsen 1993: 13). Aus der kulturellen und ästhetischen Bewertung von Räumen ergeben sich identitätsstiftende Elemente. Zentral sind demnach die Eigenheiten und die Alleinstellungsmerkmale von Städten oder Regionen.

In der Ausstellung Salzzeit wird das Salzkammergut im virtuellen Raum „Kulturgeschichte“ mittels eines Rundgangs präsentiert, auf welchem den Besucher:innen ‚Heimat‘ als ein Ort mit Traditionen und Brauchtum veranschaulicht wird. Es gibt ein Bild einer Trommelweibertrommel, den Miasteufel und die Ausseer Seitl-Pfeife sowie jeweils ein kurzes Erklärvideo dazu.

Salzkultur im Salzkammergut

Salz begegnet den Besucher:innen der Kulturhauptstadt aber nicht nur online im Museum, sondern auch bei zahlreichen Veranstaltungen, insbesondere in Zusammenhang mit Musik. Vor den technischen Fortschritten im 18. Jahrhundert nutzten Salzarbeiter:innen die Winterzeit, um durch Musik und Tanz nicht nur Geselligkeit zu pflegen, sondern auch ihr Einkommen aufzubessern (Haid/ Flotzinger 2005: online). Da volkstümliche Lieder meist mündlich überliefert wurden, kam es zu einer Vielzahl von Variationen in Texten und Melodien. Dialekte und regionale Unterschiede prägten die Lieder und führten zu einer Vielfalt an Interpretationen.

@HvGAlpinkatzenVEVO [youtube]

Bereits lange vor der Kulturhauptstadt brachte der international bekannte österreichische Sänger Hubert von Goisern, ein Künstler aus Bad Goisern, das Salz bzw. die ‚Salzkultur‘ in seinen Videos ein. Im Musikvideo Heast as net (1994) schipperte der prominente Vertreter der volkstümlichen Musik des Salzkammerguts auf einer Fuhr1 über den Hallstättersee Richtung Hallstatt, das auf eine 7000-jährige Geschichte des Salzabbaus zurückblickt. Hallstatt ist Unesco-Weltkulturerbe ist und bietet Besucher:innen die Möglichkeit, sich bei einer Besichtigung des Welterbemuseums, bei einem Rundgang durch das Dorf oder im Schaustollen des Bergwerks Salzwelten gedanklich in vergangene Epochen zu versetzen.

Das Dorf Hallstatt ist eine beliebte Kulisse für Tourist:innen aus aller Welt, die dort Fotos von sich vor den historischen Schauplätzen machen. In den Salzwelten Hallstatt erhalten interessierte Besucher:innen Informationen über den Salzabbau in der Region. Der Besuch beginnt mit der Bergmannsgruß „Glück auf!“ und die Besucher:innen werden von den Touristenführer:innen mit uniformer Bergmannskleidung und Schutzhelmen ausgestattet. Die einheitliche Bekleidung dient nicht nur dem Schutz der Besucher:innen, sondern scheint zugleich auf die damalige Arbeitssituation anzuspielen. Über Stufen und Bergmannsrutschen, die früher als Transportweg dienten, begeben sich die Besucher:innen in das Innere des Berges. Ein fachkundiger Guide begleitet die Gäste und erklärt, wie Salz in der Bronzezeit in Handarbeit und mit einfachsten Werkzeugen gewonnen wurde. Das Salzbergwerk wird als Ort voller Geschichte und Mythos inszeniert, um das Salz als ‚weißes Gold‘ der Region zu präsentieren – eine Ressource, die Wohlstand brachte.

Die Salzwelten Hallstatt bewerben sich selbst als mystischen und historisch faszinierenden Ort, zumindest in dem Video, das im virtuellen Museum Salzzeit zu sehen ist bzw. auf ihrer eigenen Website. Auch das zweite Bergwerk des Salzkammerguts in Altaussee präsentiert sich auf seiner Website ähnlich.

Hallstatt (Foto © Siggy Nowak / Pixabay)
Salz (Foto © Anna Sulencka / Pixabay)

Salz und Musik: Symbiose im Kulturhauptstadtjahr 2024

Symbole der Salzbergarbeit fanden auch im Rahmen der Kulturhauptstadt Eingang. Bei der Eröffnungsfeier der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut nutzte Hubert von Goisern etwa charakteristische Symbole der Salzwelten wie die Bergmannshaube mit den Bergmannssymbolen und den Bergmannsgruß und inszenierte sich damit als der Region zugehörig.

Im Kulturhauptstadtjahr 2024 wurde der europäische Knappen- und Hüttentag im Salzkammergut ausgerichtet. Das internationale Ereignis findet nicht jährlich statt, sondern im Rhythmus von zwei bis drei Jahren an wechselnden Orten. Die letzten Treffen wurden 2013 in der Slowakei, 2016 in Tschechien und 2022 erneut in der Slowakei durchgeführt, bevor 2024 Bad Ischl als Gastgeber fungierte. Von 24. bis 26. Mai 2024 war Bad Ischl der Treffpunkt für 150 Vereine und tausende Teilnehmer:innen aus ganz Europa. Das Programm des Knappentages 2024 in Bad Ischl war thematisch abwechslungsreich. Jeder Tag hatte ein eigenes Motto wie zum Beispiel Jetzt geht’s los!, 23 für 24 Brauchtum: die Würze im Salzkammergut; der letzte Tag trug das Motto Alles Bergbau, Glück Auf. Auf dem Programm standen neben der Besichtigung der Salzwelten Altaussee und der Saline Ebensee auch ein Fachsymposium mit dem Titel ‚Sozialgeschichte der Salzarbeiter‘ in Bad Aussee. Der als ‚Brauchtumszug‘ beworbene Umzug mit Vereinen aus den 23 beteiligten Regionen der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut sowie eine Bergparade der Knappenvereine aus ganz Europa am Abschlusstag boten Vereinen die Gelegenheit, ihr musikalisches Können sowie ihre Trachten in einem öffentlichen Rahmen zur Schau zu stellen. Unter den marschierenden Gruppen befanden sich u.a. die Salinenmusikkapellen aus Bad Ischl und Hallstatt. Auch die österreichischen Berg-, Knappen- und Hüttenvereine spielten ihre Kompositionen [Hörprobe: Bergmannsleben]. Die österreichischen Vereine feierten mit Teilnehmenden aus anderen Bergbauregionen wie Deutschland, Österreich, Tschechien und Frankreich ihre Knappentraditionen. Solche Feste schaffen durch gemeinsame Rituale und Zusammenkünfte einen Raum, der die lokale Gemeinschaft stärkt und gleichzeitig als Attraktion für Besucher:innen inszeniert – eine ‚Verortung der Interkulturalität‘ im Sinne des gemeinschaftlichen Austauschs und der gegenseitigen Annäherung (vgl. Ernst/ Heimböckel 2012: 8). Die thematische Gestaltung des Treffens ermöglichte es den Teilnehmenden, das Salzkammergut als spezifische Bergbauregion zu präsentieren und zu erleben. Insbesondere das im Zuge des Knappen- und Hüttentags stattfindende Symposium und die den Gästen angebotenen Besichtigungen vermittelten den Besucher:innen den sozialhistorischen Kontext des Salzabbaus, während die Paraden und der Brauchtumszug die Tradition und die kulturelle Vielfalt der Region zeigen sollten.

Regionale Identität im Wandel

Auch anderweitig wird das Salzkammergut als „Salzkammer“ inszeniert. „Eine Saline ist ein Ort zur Gewinnung von Salz, oder nicht? Sie ist auch ein besonderer Ort, um auf den Geschmack der kristallinen Grundstrukturen von [Anton] Bruckners Musik zu kommen“ (Programmheft Kulturhauptstadt 2024: 192), so bewirbt das Programmheft der Kulturhauptstadt die Veranstaltung Bruckners Salz. Einen Abend lang verwandelte sich die Saline Ebensee zu einem Klangraum. In Anlehnung an Jan und Aleida Assmann können Orte wie die Saline Ebensee als Träger kollektiver Erinnerung bezeichnet werden. Durch die Musikveranstaltung wurde die Saline als Ort der Salzgewinnung mit einem neuen Narrativ versehen und in Verbindung mit Musik gebracht. Auch für das jüngere Publikum gab es einen Programmpunkt mit klassischen Musikelementen: die Kinder-Musikoper Saltice, das Märchen von Salz und Eis.

STV1 BadIschl Regionalfernsehen [youtube]

Schüler:innen der Landesmusikschule Laakirchen luden dazu Besucher:innen in eine Klangwelt ein, die von den Sagen und Märchen des Salzkammerguts sowie von den Salzbergwerken und Eishöhlen der Region inspiriert ist.

@rubenzahra [youtube]

Die Schüler:innen wurden bei der Erstellung der Kostüme, Requisiten und des Bühnenbilds für die Kinderoper Saltice von der japanischen Künstlerin Kaori Kato unterstützt. Die Regie führte Ruben Zahra, ein vielseitiger Komponist, dessen Werke zeitgenössische Musik mit Elementen aus Rock, Jazz, Folk und interdisziplinären Ausdrucksformen verbinden. Zahra ist zugleich ein international aktiver Kulturunternehmer mit Fokus auf innovative Musikprojekte.

Solche Formate interdisziplinärer und interkultureller Projekte sind begehrte Formate für das Kulturhauptstadtevent, die als Ausdruck der kulturellen Vielfalt und Innovationskraft des EU-Projektes dienen.

Fazit: Die Bedeutung von Salz und Musik für die kulturelle Identität des Salzkammerguts im Kontext der Kulturhauptstadt

Diverse Events im Kulturhauptstadtprogramm 2024 griffen das Salz bzw. die Geschichte und die Legenden und Geschichten rund um das weiße Gold als kulturelles Leitmotiv auf und nutzten die Thematik, um die regionale Identität des Salzkammerguts zu stärken und gleichzeitig einen modernen, kreativen Zugang zu bieten. Salz symbolisiert die lokale Geschichte und Tradition, die im Rahmen der Kulturhauptstadt präsentiert wird, und dient als markantes Identitätsmerkmal, das die Region von anderen unterscheidet. In Übereinstimmung mit Ipsens Konzept der regionalen Identität als dynamische Verbindung von Tradition und Innovation kommt das Salz sowohl in traditionellen als auch in neuen Kontexten zur Geltung, was die Transformation des Salzkammerguts als Kulturraum betont. Die Veranstaltungen der Kulturhauptstadt veranschaulichen, wie das ökonomische und Lebensverhältnisse prägende Naturprodukt Salz in den heutigen kulturellen Kontext integriert und ‚kulturalisiert‘ wird.

Die Verbindung der Region mit dem Salz fungiert in Programmpunkten des Kulturhauptstadtprogramms 2024 als kulturelles Leitmotiv. Ein spektakulärer Programmpunkt war die Reise eines 500 Kilogramm schweren Salzsteins vom Bergwerk in Altaussee über den Traunsee bis nach Roitham, mit der ich den Beitrag abschließen möchte. Die Reise des Salzsteins begann mit dem Heraushauen des Salzsteins im Bergwerk Altaussee. Anschließend wurde der weitere Transport des Salzsteins in einer Fuhre über den Traunsee beim ‚Roithamer Salzmadonnenfest‘ (23.6. – 3.7.2024) festlich gefeiert. Am Zielpunkt angelangt hat der Künstler Dirk Schlichting aus dem Stein eine Salzmadonna, also eine Figur in Form einer Madonna, gemeißelt. Die Salzmadonna wird mit der Zeit und insbesondere durch den Einfluss von Wind und Wetter allmählich verschwinden. Als Zeichen der Dankbarkeit erhielten diejenigen, die beim Transport mitgeholfen haben, ein Fläschchen ‚Roithamer Madonnensalz‘. Dieses besteht aus Salzbrocken, die beim Herausschlagen abfielen. Besucher:innen konnten die Fläschchen käuflich erwerben (vgl. Rathenböck 2024: online).

In der Spätmoderne wird die Inszenierung von Identitäten durch Symbole und Mythen als Mittel eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu generieren (vgl. Prischnig 2011: 87). Dies erfolgt durch die Schaffung besonderer Erlebnisse und visueller Eindrücke, die bei den Zielgruppen Anklang finden (vgl. ebd.: 87). Salz erweist sich diesbezüglich für das Salzkammergut als wirkungsvoller Stoff (ebd.) für eine neue Inszenierung regionaler Identität.

  1. Fuhren sind flache Holzboote, auch Plätten genannt, die seit 2020 ein immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO darstellen. Sie wurden seit dem 13. Jahrhundert dazu genutzt, Waren und Personen über den Hallstättersee und entlang der Traun zu transportieren. In der heutigen Zeit dienen Fuhren nicht mehr für Transportzwecke; sie werden aber für festlich-rituelle Anlässe wie beispielsweise im Rahmen der Seeprozession zu Fronleichnam eingesetzt und touristisch inszeniert. ↩︎

Literatur und Quellen

Ernst, Thomas/ Heimböckel, Dieter (2012). Verortungen der Interkulturalität und die Perspektiven der vergleichenden Kulturhauptstadtforschung, in: Ernst, Thomas/ Heimböckel, Dieter (Hrsg.). Verortungen der Interkulturalität.Die ›Europäischen Kulturhauptstädte‹ Luxemburg und die Großregion (2007), das Ruhrgebiet (2010) und Istanbul (2010). Bielefeld: Transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/transcript.9783839418260

Franck, Georg (1998). Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München: Hanser

Haid, Gerlinde/ Flotzinger, Rudolf/ Art. „Salzkammergut“, in: Flotzinger, Rudolf (Begr.)/ Boisits, Barbara (Hrsg.). Oesterreichisches Musiklexikon online (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005). https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e042 [3.11.2024].

Hellmuth, Thomas (2015). III. Vielfalt in der Einheit? Soziale und kulturelle Aspekte regionaler Identität(en), in: Dirninger, Christian/ Hellmuth, Thomas/ Thuswaldner, Anton (Hrsg.). Salzkammergut schauen: Ein Blick ins Ungewisse. Wien: Böhlau Verlag, 95–142.

Ipsen, Detlev (1993). Regionale Identität. Raumforschung und Raumordnung / Spatial Research And Planning, 51(1), 9–18. https://doi.org/10.14512/rur.2086

Niewerth, Dennis (2020). Virtuelle Museen. In: Kasprowicz, Dawid/ Rieger, Stefan (Hrsg.). Handbuch Virtualität. Wiesbaden: Springer Verlag, 521–532. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16342-6_28

Prischnig, Manfred (2011). Die Kulturhauptstadt als Groß-Event, in: Betz, Gregor/ Hitzler, Ronald/ Pfadenhauer, Michaela (Hrsg.). Urbane Events. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92902-6

Rathenböck, Elisabeth (2024, 9. Juli). Kulturhauptstadt – „Die Madonna aus Salzstein wird bald schmelzen“. Kronen-Zeitung. https://www.krone.at/3450134

Salz.tv (2024). Saltice – Das Märchen von Salz und Eis. https://www.salzi.tv/video/saltice-das-mrchen-von-salz-und-eis/416d2b06dda1dfccd2abb5fb97f2b813 [7.12.2024].