Bad Ischls Weg zur beliebten Sommerfrische-Destination
Bad Ischl – viele Personen assoziieren mit diesem Ort kaiserliches Sommerfrische-Flair. Dieses entstand Mitte des 19. Jahrhunderts, als das österreichische Kaiserpaar beschloss, seine Sommermonate in Ischl zu verbringen.
Doch schon mit Beginn des 19. Jahrhunderts war die Heilkraft des Salzes neben der idyllischen Landschaft ein Anziehungspunkt sowohl für Mitglieder der Aristokratie als auch des Groß- und Bildungsbürgertums. Bis heute zeugt das Ortsbild von dieser Zeit und einem regen Kulturleben. In der Inszenierung und Repräsentation des Ortes nehmen diese Erinnerungsspuren einen zentralen Stellenwert ein.
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„Zwischen Salzburg und Bad Ischl pfeift a liabe kleine Eisenbahn, raucht ein bißl, pfaucht ein bißl und dann taucht sie wieder an“ (Ronnert, Musil 1950). So lautete der Beginn eines populären Schlagers von 1950, der bei zahlreichen Menschen in der Nachkriegszeit Sommerfrische-Gefühle weckte.
Vor allem das Salzkammergut mit seiner ‚idyllischen Landschaft‘ und den zahlreichen Seen war für viele Städter:innen, vor allem der gehobenen Gesellschaftsschicht, ein beliebtes Reiseziel. Dazu zählte auch Bad Ischl, das noch immer ein Touristenmagnet ist. So auch im heurigen Jahr, in dem sich der Ort als Bannerstadt der Kulturhauptstadtregion Salzkammergut 2024 präsentiert.
Ischl wird zur Kurstadt Bad Ischl
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Ischl zur Kurstadt. Diesen Status verdankt der Ort dem Physiker der Ischler Salinen Joseph Götz, der 1807 die heilende Wirkung von Salzbädern bei kranken Bergleuten und Salinenarbeiter:innen feststellte. Götz teilte seine Erkenntnisse dem Leibarzt der Habsburger Dr. Wirer mit. Dieser ließ ein Heilbad errichten. Zahlreiche Mitglieder der Familie Habsburg genasen durch die Kuranwendungen (vgl. Kunz 2024: 177). So wurde auch die Gattin Erzherzog Karls, Sophie, nachdem sie Salzbäder genommen hatte, endlich schwanger. Sie gebar einen Sohn, den späteren Kaiser Franz Joseph I., und später noch drei Söhne, die ‚Salzprinzen῾ genannt wurden (vgl. Wakounig 2024: 70).
Durch den zunehmenden Anstieg an Kurgästen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sah sich die Stadtverwaltung verpflichtet, neue Gebäude für den Kurbetrieb zu errichten. Die Trinkhalle im klassizistischen Stil (1829-1831) wurde gebaut, denn neben verschiedenen Bäderanwendungen wurden den Kranken Trinkkuren mit Molke verschrieben (vgl. Prohaska 1924: 10). Heute ist das Gebäude ein kulturelles Zentrum. Der Bad Ischler Tourismusverband und das Kulturhauptstadt-Team haben hier ihre Büros.
Im Zentrum der Stadt wurde ein Kurpark mit einem Kurhaus, das heute als Kongress- und Theaterhaus fungiert, angelegt. Der Architekt Hyazinth Michel, ein Schüler Theophil Hansens, der einer der wichtigsten Ringstraßen-Baumeister war, plante es. 1875 wurde es fertig gestellt. Wohlhabende und kulturell interessierte Sommergäste hatten so die Möglichkeit, Bälle und Konzerte in einem prächtigen Ambiente zu besuchen (vgl. Prohaska 1924: 42ff.).
Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Gästeaufkommen immer größer, nicht nur aufgrund der Kurmöglichkeiten, sondern auch wegen der Landschaft und der ‚guten Luft‘. Neben der Errichtung der oben erwähnten öffentlichen Gebäude wurden nun ausreichend Unterkunftsmöglichkeiten für die Sommerfrischler:innen und Kurgäste benötigt. Vorerst nahmen diese bei Privatpersonen ihr Quartier. Einheimische stellten zumeist während der Sommerzeit den eigenen Wohnraum zur Verfügung, zogen mit ihrer Familie in ein kleines Zimmer und besserten so ihr Einkommen auf.
Um auch der gehobenen Klientel adäquate Beherbergungsbetriebe zu bieten, wurden noble Hotels errichtet. Das heute nicht mehr existente ‚Grand Hotel Bauer‘ war für seinen Luxus über die Grenzen weit bekannt (Das vergessene Grandhotel von Ischl 2021). Das jetzige ‚Stadtmuseum Bad Ischl‘ war das ehemalige ‚Hotel Austria‘. Hier logierten Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie. Ihr ältester Sohn Franz Joseph verlobte sich hier mit Elisabeth, Herzogin in Bayern, 1853 (vgl. Sams 2024: 15).
Unter den Gästen Bad Ischls befanden sich auch viele jüdische Menschen, auf die die Bergwelt seit jeher eine große Faszination ausübte: „Die Verschwendung der Natur, diese Üppigkeit von Schönheit, Schroffheit und Energie musste einen Sinn haben, den es zu ergründen galt. So entfaltet sich eine wechselvolle Beziehungsgeschichte, die Geschichte einer oftmals enttäuschten Liebe. Eine Geschichte, die viel früher begonnen hat, auf dem sprichwörtlichen Berg Sinai und mit dem, was der erste Bergsteiger dort vorfand “ (Loewy, Milchram 2010: 13).
Nur wenige jüdische Familien ließen sich im Salzkammergut dauerhaft nieder, und somit gab es fast keine religiös-jüdische Infrastruktur. Die Familie Sonnenschein, eine der ältesten zugewanderten jüdischen Familien in Bad Ischl, betrieb zuerst nur ein koscheres Restaurant, in dem auch religiöse Feiern abgehalten wurden. Später pachtete die Familie das ‚Hotel Austria‘ und ersteigerte 1904 das ‚Hotel Erzherzog Franz Karl‘ (später nur Hotel Franz Karl). Der Beherbergungsbetrieb wurde gänzlich modernisiert und erfreute sich bei jüdischen und nichtjüdischen Gästen großer Beliebtheit (vgl. Wagner 2023: 39ff.).
Wer heute durch das Zentrum Bad Ischls schlendert, bemerkt an zahllosen Gebäuden Gedenktafeln. Diese erinnern an berühmte Gäste, die in den oftmals heute nicht mehr bestehenden Hotels logierten. Die ehemaligen Inhaber:innen der heutigen ‚Residenz Elisabeth‘, vormals ‚Hotel Kaiserin Elisabeth‘, konnten unter anderen die Schriftsteller Theodor Herzl, Mark Twain und Franz Werfel als Gäste begrüßen. Auch Karl Kraus war viele Sommer im Hotel „Goldenes Kreuz“ zu Gast. Er schrieb in seinem charakteristischen Stil sarkastisch über Ischl: „Mir ist in Ischl immer, als ob die Berge ringsum nur eine Art Decoration wären, die man auf die Wiener Ringstraße gestellt hat. […] Hübsche Frauen und Mädchen in den neusten Einfällen der Mode, junges und älteres Herrenpublicum, Traungigerl, ab und zu ein kokett getragenes Steirercostüm mit obligatem nacktem Knie und eisenbeschlagenem Bergstocke…“ (Kulturpfade Bad Ischl 2014: online).
Gut betuchte Familien mieteten für die Sommermonate eine Villa oder ließen sich eine eigene Sommerresidenz errichten. Das Besondere an vielen Ischler Villen war, dass vor allem einheimische Baumeister engagiert wurden. Diese nahmen sich oftmals die Schweizer-Haus-Architektur zum Vorbild. Damit sollten die lokalen Land- und Bauernhäuser imitiert werden. Das Innere entsprach aber den Anforderungen eines großbürgerlichen Lebens (vgl. Hemetsberger 2024: 91ff.).
Die Historikerin Marie-Theres Arnbom entstammte selbst einer großbürgerlichen Familie, die ein Sommerdomizil in St. Gilgen hatte. In Erinnerung blieben ihr die Ausflüge nach Bad Ischl in ihrer Kindheit. In ihrem Buch ‚Die Villen von Bad Ischl‘ erfahren die Leser:innen Interessantes über die Bewohner:innen dieser Gebäude und deren Schicksal. Die Autorin erstellte eine Route, die zu den beschriebenen Häuser bzw. deren Standorte führt. Von einigen existieren nur mehr Fotos, andere sind in einem desolaten Zustand (vgl. Arnbom 2017).
Bad Ischl nach dem Ersten Weltkrieg
Vor dem Ersten Weltkrieg waren Adelige als Sommergäste in Bad Ischl dominierend. Doch nach Kriegsende änderte sich das Sommerfrische-Publikum. In Österreich wurde der Adel 1919 aufgehoben. Nun urlaubten hier die ‚neuen Reichen‘. Ebenso verbrachten Künstler:innen aller Sparten die Sommermonate in Bad Ischl. Die Kunstschaffenden vernetzten sich und sorgten für ein attraktives Kulturleben sowohl für die Einheimischen als auch für die Sommergäste im Ort. Bis heute deklariert sich Ischl gern als Musikerstadt. Viele Gedenktafeln, Denkmale und Straßennamen sollen an die prominenten Gäste der Stadt erinnern.
Berühmtheit erlangte Ischl als sogenannte ‚Operettenbörse῾, da im Sommer das Wiener Theaterleben hierher wechselte. So entwickelten die Komponisten Franz Lehar und Emmerich Kalman gemeinsam mit Librettisten wie Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald Stücke für die neue Theatersaison (vgl. Arnbom 2017: 107f.).
Eine besonders innige Beziehung zu Bad Ischl pflegte der Operettenkomponist Oscar Straus. Dieser verbrachte seit seiner Kindheit mit seiner Familie die Sommermonate in der Kurstadt, wo ein Quartier gemietet wurde. Oscar Straus erwarb erst nach dem Zweiten Weltkrieg die ‚Villa Vielweib῾. Der Komponist war schon sehr früh mit Antisemitismus und Mobbing konfrontiert. Den Zweiten Weltkrieg überlebte er mit seiner Frau in Hollywood. Sohn Leo und dessen Gattin wurden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Trotz dieser Familientragödie kehrte das Ehepaar Straus nach Europa zurück und wählte Bad Ischl zum Lebensmittelpunkt (vgl. Arnbom 2017: 43ff.). Für ihn war es ein Ort glücklicher Erinnerungen, und die friedliche Atmosphäre inspirierte ihn zu neuen Kompositionen.
Im Zuge des Kulturhauptstadtjahres kam es auch zur Neugestaltung des Museums der Stadt Ischl. Dabei wurde die Idee realisiert, die ehemalige Funktion des Gebäudes, die eines Hotels, im Ausstellungskonzept zu integrieren. Es bietet Einblicke in die Geschichte der Stadt von 7000 v. Chr. bis heute, wobei den Schwerpunkt das 19. und das 20 Jahrhundert bilden. Wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Aufbereitung regionaler Themen wie die Salzaufbereitung, die Sommerfrische oder die NS-Zeit sollen die Besucher:innen nicht nur informieren, sondern ebenso zum kritischen Denken anregen.
Für die Intendantin der KHS Elisabeth Schweeger ist „ein Museum ein kollektives Gedächtnis einer Gesellschaft“ (Schweeger 2024:13).
Literatur und Quellen
Arnbom, Marie-Theres (2017): Die Villen von Bad Ischl. Wenn Häuser Geschichten erzählen, Wien: Amalthea Verlag.
Bausinger, H. (Hrsg.)/ Beyrer, K. (Hrsg.)/ Korff, G. (Hrsg.) (1999): Reisekultur: Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München: C.H.Beck.
Hachtmann, Rüdiger(2010): Tourismus und Tourismusgeschichte. Version 1.0, in: Docupedia (Hrsg.), Zeitgeschichte. https://docupedia.de//zg/Tourismus_und_Tourismusgeschichte. (02.05.2024).
Hemetsberger, Raphaela (2024): Sommerfrischearchitektur im Salzkammergut, in: Neiß H. (Hrsg.)/John, M. (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.
Kreuzner, Bernd (2015): Tourismus ohne Kaiser. Das Salzkammergut und die oberösterreichischen Kurorte in der Zwischenkriegszeit, in: Oberösterreich 1918-1938. Bd. 2, Oberösterreichisches Landesarchiv (Hrsg.): Linz.
Kulturpfade Bad Ischl (2014): Karl-Kraus-Gedenktafel, [online], https://www.kulturpfade-badischl.at (09.10.2024).
Kurz, Michael (2024): Zur Stadtgeschichte Bad Ischls, in Neiß H. (Hrsg.)/John, M. (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.
Kühn, Tobias (2024): Wo der Kaiser kurte. Jüdische Allgemeine (juedische-allgemeine.de) [online] https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/wo-der-kaiser-kurte/ (15.04.2024).
Lehner, Gerald/Robinek, Susanne/Strasser, Christian (2024): Im Schatten von Hitlers Alpenfestung. Reiseführer durch die braune Topografie Salzkammergut, Wien: Czernin Verlag.
Loewy Hanno (Hrsg.)/Milchram Gerhard (Hrsg.) (2009): „Hast du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte, Hohenems-Wien: Bucher Verlag.
Neiß, Herta (Hrsg.)/John, Michael (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.
ORF (2024): Kulturhauptstadt: Jüdisches Leben in Bad Ischl, [online], https://religion.orf.at/stories/3223238 (15.04.2024)
ORF (2021): Das vergessene Grandhotel von Ischl. Video. https://on.orf.at/video/14111584/das-vergessene-grandhotel-von-ischl (01.10.2024).
Prohaska, Heinrich (1924): Geschichte des Badeortes Ischl 1823-1923. Linz: Pirngruber.
Ronnert, Albin/Musil, Heinz (1950): Lied: „Zwischen Salzburg und Bad Ischl…“. https://in-motion.me/download/4980 (10.09.2024).
Sams, Maris (2024): Museum der Stadt Bad Ischl – ein Rückblick, in: Neiß Hera (Hrsg.)/John, Michael (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.
Schweeger, Elisabeth (2024): Ohne Gedächtnis sind wir nichts, in: Neiß Herta (Hrsg.)/John, Michael (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.
Torberg, Friedrich (1995): Die Sommerfrische, in: Die Tante Jolesch/Die Erben der Tante Jolesch, Wien: Tosa Verlag, S.86-95.
Wagner, Verena (2023): Eine jüdische Gemeinde in Bad Ischl, Linz: Oberösterreichisches Landesarchiv.
Wakounig, Marija (2024): Monarchie im Salzkammergut, in: Neiß Herta (Hrsg.)/John, Michael (Hrsg.) (2024): Sehnsucht Salzkammergut, Wien: Böhlau Verlag.