Die Performance des Pudertanzes bei der Eröffnungsfeier – Hintergrund und Kritik
Zur Choreografie Pudertanz, die im Zuge der Eröffnungsfeier in Bad Ischl performt wurde, tanzten nackte Menschen mit und ohne Behinderung, während sie sich und einander mit Babypuder bestreuten. Die Performance löste eine Welle von Kritik im Salzkammergut und in österreichischen Medien aus. Der Beitrag illustriert die unterschiedlichen Formen der Kritik am Pudertanz.
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„In Puderwolken tanzende Körper schlagen Wellen, vibrieren, lassen ihr Fett tanzen und feiern körperliche Vielfalt und individuelle Schönheit“ (salzkammergut-2024 2024: online).
„Im Jänner mutete die oberösterreichische Choreografin [Doris Uhlich] den Österreichern zu, dass sich nackte – mäßig schöne – Körper in Puderwolken auf der Bühne rekelten. Ungeachtet dessen, dass auch kleine Kinder zusahen“ (RTV Privatfernsehen 2024: online).
Diese Zitate beziehen sich auf eine Performance bei den Eröffnungsfeierlichkeiten zur Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 am 21. Jänner 2024 in Bad Ischl: die Choreografie Pudertanz der oberösterreichischen Performance-Künstlerin Doris Uhlich.
Die Eröffnungsfeier
Intention der Choreografie war es, Körper zu feiern: Ein inklusives Ensemble von Menschen mit und ohne Behinderung tanzte nackt zu Antonio Vivaldis Sommer und bedeckte sich und einander dabei mit Babypuder. Die Performance wollte die „körperliche Vielfalt“ (salzkammergut-2024 2024: online) sowie „individuelle Schönheit“ (ebd.) auf die Bühne bringen. Die österreichische Choreografin Doris Uhlich „zeigt[e] die Potenziale von Nacktheit jenseits von einfacher Erotisierung und Provokation“ (ebd.) und „setzt[e] sich für die Akzeptanz marginalisierter Körper ein“ (BMKOES 2024: online). Mit ihrer Performance gewann sie den mit 20.000€ dotierten Österreichischen Kunstpreis 2024.
Kontroverse Debatten
Im Unterschied zu dieser Wertschätzung war die Resonanz vor Ort verhalten. Bereits kurz nach der Eröffnungsfeier in Bad Ischl äußerten sich kritische Stimmen: Die überregionale Presse thematisierte beziehungsweise kritisierte die Performance faktenbasiert, Landtagsfraktionen und Politiker:innen äußerten politisierte Kritik, und Einzelpersonen kritisierten den Pudertanz beispielsweise in sozialen Medien emotionalisiert. Der Pudertanz ist Teil diverser Diskursstränge, die Fragen von Nacktheit, Körperlichkeit / Ableismus und Kunstschaffen thematisieren. Der französische Denker Michel Foucault (vgl. Kiefl 2015: 431-443) war ein zentraler Begründer der wissenschaftlichen Methode der Diskursanalyse: „Ziel einer Diskursanalyse ist es – ganz allgemein formuliert – aufzuzeigen, wie im Sprechen Wirklichkeit hergestellt wird“ (ebd.: 439). Jeder Beitrag zum Diskurs über die Performance trägt folglich auch zur daraus entstehenden Wirklichkeit bei. Im Folgenden fasse ich im Zuge einer kurzen Diskursanalyse die verschiedenen Formen der Kritik am Pudertanz (sachlich, politisiert, emotionalisiert) anhand ausgewählter Beispiele zusammen.
Die Online-Ausgabe der österreichischen Tageszeitung Der Standard berichtete fast zwei Wochen nach der Performance über die Reaktionen auf den Pudertanz und listet dabei sowohl die Intentionen der Choreografin als auch die Argumente der Kritiker:innen auf. Die Berichterstattung bat dabei auch Raum für Stellungnahmen der Organisator:innen. In diesem Artikel wurde die Frage gestellt, ob „die Bewohner des Salzkammerguts doch nicht so weltoffen sind, wie in der Bewerbung der Kulturhauptstadt-Region immer wieder betont wurde“ (DerStandard.at 2024: online). Die Intendantin Elisabeth Schweeger wies die Einschätzung mit Hinweis auf viele positive Rückmeldungen zurück. Jedoch hätte sie nicht mit so einer heftigen negativen Reaktion gerechnet. „Ich finde es gut, dass Kunst Reaktionen hervorruft“ (ebd.). Außerdem sei sie nicht verwundert über die Kritik „auf politischer Ebene“ (ebd.), da „wir uns im Wahlkampf [befanden]“ (ebd.). Die Intendantin spielte dabei auf die politisierte Kritik der rechts-populistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) an. Unter dem Begriff der politisierten Kritik verstehe ich die Instrumentalisierung der Performance für politische Zwecke. In einer durch die Austria Presse Agentur (APA) veröffentlichten Pressemitteilung kritisierte die FPÖ die Verleihung des Österreichischen Kunstpreises an Doris Uhlich im August (etwa sieben Monate nach der Performance) scharf. „Mit Steuergeld-Millionen für linke Kulturschickeria und Staatspreis für nacktes Herumhüpfen offenbaren ÖVP und Grüne das wahre Gesicht ihrer Kunst- und Kulturpolitik“ (OTS.at 2024: online). Der FPÖ-Kultursprecher Thomas Spalt zog damit direkt die beiden Bundesregierungsparteien zur Verantwortung, auch wenn das Programm der Kulturhauptstadt nicht in deren Zuständigkeitsbereich lag. Der Nationalratsabgeordnete schloss mit einer impliziten Wahlaufforderung: „[Gegen die üppige Steuergeld-Alimentierung derartigen linksideologischen Unfugs] steht nur eine starke FPÖ mit einem Volkskanzler Herbert Kickl!“ (ebd.).
Auch rechts-populistische Boulevard-Medien übten politisierte Kritik: Das Online-Medium exxpressTV (‚für Selbstdenker‘) bezeichnete die Performance nach der Eröffnungsfeier in einem YouTube-Video als „einen unfassbaren Porno-Skandal“ (exxpressTV 2024: online) und kritisierte, dass „unter dem Deckmantel der Kultur jede noch so große Sauerei erlaubt“ (ebd.) sei „– noch dazu vor kleinen Kindern“ (ebd.). Auch das RTV Privatfernsehen, entrüstete sich im August über die Performance: „Im Jänner mutete die oberösterreichische Choreografin den Österreichern zu, dass sich nackte – mäßig schöne – Körper in Puderwolken auf der Bühne rekelten“ (RTV Privatfernsehen 2024b: online).
Damit sprechen die medialen Stimmen Leser:innen und Hörer:innen auf der emotionalen Ebene an. Neben Medien und Parteien kritisieren auch Einzelpersonen die Choreografie: Unter dem oben genannten Video von exxpressTV kommentierten Nutzer:innen: „Diese Menschen die so etwas auf die Bühne bringen [sic!] sollten sich schämen!!!!“ (exxpressTV/ Kommentare 2024: online), „SO STELLE ICH MIR ..FREIZEITVERTREIB…IN DER GESCHLOSSENEN IN WIEN BAUMGARTNER HÖHE VOR [sic!]“ (ebd.), „Wo sind die aktiven Schussfreunde die sonst immer die Schule zusammenballern [sic!] wenn man sie mal braucht…..“ (ebd.).
Neben gewaltverherrlichenden Aussagen finden sich besonders häufig Kommentare, die die Performance sexualisiert diskutieren und mit Pädophilie in Verbindung bringen. Auch die sozialdemokratische Bürgermeisterin von Bad Ischl Ines Schiller erhielt nach der Eröffnungsfeier zahlreiche Beschimpfungen. In Mails stand, sie „solle in Puder ersticken“ (ooe ORF.at 2024a: online).
Auszeichnung für kritisierte Performance
Ungeachtet der unterschiedlichen Kritik und Resonanz, die der Pudertanz auslöste, und für welche Zwecke das Event instrumentalisiert wurde, erhielt Doris Uhlich sogar den Österreichischen Kunstpreis in der Kategorie ‚Darstellende Kunst‘ (vgl. ooe ORF.at 2024c: online). Um den Pudertanz wurde und wird diskutiert – die Künstlerin jedenfalls „hatte damit gerechnet, dass der Pudertanz unterschiedliche Meinungen auslöst“ (Rathenböck 2024: online) und sie „steh[t] dazu“ (ebd.). Die Intendantin Elisabeth Schweger überraschten über die intensiven Reaktionen: „Ich habe schon gedacht, dass darüber gesprochen werden wird – aber […] ich [wundere] mich schon, dass manche sich nun darüber so aufregen“ (ebd.). Nach der Performance äußerte sich Uhlich zu ihrer Vorstellung von Kunst als Provokation. Sie fasste zusammen: „Dass Kunst kontroverse Meinungen auslöst, ist das Wesen von Kunst“ (DerStandard.at 2024: online).
Literatur & Quellen
Bundesministerium: Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (2024): Österreichischer Kunstpreis 2024, [online], https://www.bmkoes.gv.at/kunst-und-kultur/preise/oesterreichischer-kunstpreis/kunstpreise-archiv/oesterreichischer-kunstpreis-2024.html [14.10.2024].
Der Standard (2024): Wirbel im Salzkammergut um nackten „Pudertanz“ und Helnwein-Kinder, in: DerStandard.at, [online], https://www.derstandard.at/story/3000000205844/wirbel-im-salzkammergut-um-nackten-pudertanz-und-helnwein-kinder [15.10.2024].
Dueker, Noah (2024): Kulturhauptstadt Bad Ischl: Pudertanz Choreografin gewinnt österreichischen Kunstpreis, in: NeueZeit.at, [online], https://neuezeit.at/bad-ischl-pudertanz-kulturhauptstadt-kunstpreis/ [14.10.2024].
Eicher, Wolfgang (2024): Pudertanz von doris uhlich, [online], https://www.youtube.com/watch?v=8g6eidqG8Tc und die dazugehörigen Kommentare von YouTube-Nutzer:innen. [14.10.2024].
exxpressTV (2024): Start zum EU-Kulturjahr in Bad Ischl: Porno-Theater vor kleinen Kindern!, [online], https://www.youtube.com/watch?v=ubaj9Tlt4sw [20.11.2024] und die dazugehörigen Kommentare von YouTube-Nutzer:innen.
Freiheitlicher Parlamentsklub – FPÖ (2024): FPÖ – Spalt: „Verleihung des Kunstpreises an Choreografin des obszönen ‚Pudertanzes‘ durch Koglers Ministerium ist ein Skandal!“, in: OTS.at, [online], https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240806_OTS0071/fpoe-spalt-verleihung-des-kunstpreises-an-choreografin-des-obszoenen-pudertanzes-durch-koglers-ministerium-ist-ein-skandal [15.10.2024].
Gegenlicht Badischl (2024): Pudertanz beim Faschingsumzug Bad Ischl 2024, [online], https://www.youtube.com/watch?v=Qq5f9k0EM_U [14.10.2024].
Kiefl, Oliver (2014): Diskursanalyse, in: Bischoff, Christine / Oehme-Jüngling, Karoline / Leimgruber, Walter (Hrsg.), Methoden der Kulturanthropologie, Bern: Haupt Verlag, S. 431-443.
ooe ORF.at (2024): Beschimpfungen und Diskussion nach Eröffnungsfeier in Bad Ischl, [online], https://ooe.orf.at/stories/3242799/ [14.10.2024].
ooe ORF.at (2024): Kulturhauptstadt Salzkammergut eröffnet, [online], https://ooe.orf.at/magazin/stories/3241465/ [14.10.2024].
ooe ORF.at (2024): Kunstpreis an Pudertanz-Choreografin Uhlich, [online], https://ooe.orf.at/magazin/stories/3268026/ [14.10.2024].
Rathenböck, Elisabeth (2024): Pudertanz: „Ich würde es wieder machen!“, in: Kronen Zeitung online, [online], https://www.krone.at/3459094 [14.10.2024].
RTV Privatfernsehen (2024): Kulturhauptstadt-Fiasko: „Pudertanz“ in Bad Ischl, [online], https://www.youtube.com/watch?v=0iPUdYMaz6M [14.10.2024].
RTV Privatfernsehen (2024): Kunstpreis für obszönen „Pudertanz“, [online], https://www.youtube.com/watch?v=wpIDH-p0gDI [14.10.2024].
Salzkammergut-2024 (2024): Doris Uhlich, [online], https://www.salzkammergut-2024.at/. [14.10.2024].