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Christina Müller

&

Anna Sophie Petermann

Unter die Haube gekommen

Die sogenannten Goldhauben sind eine lange Zeit ausschließlich aus bürgerlichen Frauen bestehende Gruppe, deren Mitglieder sich regionalen Traditionen verpflichtet fühlen und karitativen Zwecken widmen. Sie zeichnen sich durch das Tragen von Festtagstracht und einer goldenen Haube aus. In Bad Ischl und dem Salzkammergut sind die Goldhauben ein wichtiger Teil der Vereinslandschaft. Als solche waren sie auch im Kulturhauptstadtprogramm 2024 beteiligt. Dabei kam es zu einer Kontroverse um ein Foto, an dessen Beispiel wir die Bedeutung der Goldhauben sowie Ambivalenzen innerhalb der Gruppe untersuchen.

Die Goldhauben

Haben Sie schon einmal etwas von goldenen Hauben gehört? Wenn Sie nun denken, es handle sich dabei um ein Märchen oder sonstige wundersame Erscheinungen, irren Sie sich. 

Der Name Goldhaube geht auf die Kopfbedeckung der Mitglieder zurück – eine gold-glänzende, bestickte Kopfbedeckung, die auf dem Hinterkopf sitzend getragen wird. Ein gefaltetes Stück Stoff steht nach hinten vom Kopf der Trägerinnen ab. Dieses Erkennungsmerkmal hat für die Mitglieder eine besondere Bedeutung und großen Wert, nicht nur, weil die meisten ihre kostspielige Goldhaube in aufwendiger Handarbeit selbst hergestellt haben, sondern auch weil die funkelnde Haube symbolisch für die Zugehörigkeit zur und Identifikation mit der Gruppe und Region steht. 

Die Mitglieder gehören Ortsgruppen an. Es handelt sich dabei herkömmlich um Zusammenschlüsse von Frauen. Diese sind zwar kein eingetragener Verein, ähneln der Struktur eines solchen aber. In Oberösterreich gibt es rund 17.300 Goldhauben (Pühringer o.J).

Goldhaube (Bild: Petermann)

Goldhauben als Markierung sozialer Positionen 

Die goldene Haube und eine dazu passende, bestenfalls aus Seide gefertigte Goldhaubentracht dienen den Frauen als Erkennungsmerkmal. Die Tracht war in früheren Zeiten dem bürgerlichen Stand zuzuordnen, als gesetzliche Kleiderordnungen vorgaben, welche Gesellschaftsgruppen welche Kleidungsstücke tragen durften. Dadurch konnte auf Anhieb erkannt werden, welchem sozialen Stand die jeweilige Person angehört. Die Goldhaube sowie die dazugehörige Tracht waren das Erkennungszeichen für Frauen der bürgerlichen, wohlhabenden Schicht.

Heute ist die Wahl der Tracht samt zugehöriger Kopfbedeckung eine Frage der persönlichen Präferenz, mit der weniger Status als vielmehr ein aktives Interesse an regionalen Bräuchen und Traditionen zum Ausdruck gebracht wird, wie uns eine Interviewpartnerin aus der Goldhaubengruppe Bad Ischl erklärte. Die Einbindung in regionale Festlichkeiten, zu denen die Goldhauben in Tracht erscheinen, zeigt sich in Programmheften, die beispielsweise im Tourismusbüro Bad Ischl aufliegen.

Voraussetzungen für die Aufnahme und Organisation der Goldhaubengruppe

Die Anschaffung einer Haube und damit die Voraussetzung zur Teilnahme an den Gruppenaktivitäten ist eine kostspielige Angelegenheit. Mit mindestens 700 Euro muss eine Goldhauben-Anwärterin für den Erwerb der Kopfbedeckung rechnen, wobei die dazugehörige Tracht noch nicht inkludiert ist. Aus dem Interview mit einer Goldhaubenträgerin ging hervor, dass aus diesem Grund selbstorganisierte Bazare beliebt sind, um Goldhaubentracht Second Hand und somit kostengünstiger zu erwerben (Interview Anonym, 2023).

2023 umfasste die Goldhaubengruppe Bad Ischl 51 aktive und 21 unterstützende Mitglieder (o. A.: Goldhauben-, Kopftuch- und Schwammerlhutgruppe Bad Ischl). Die Altersspanne beginnt ab circa 30 Jahren, wobei der Großteil der Mitglieder Beobachtungen und Visualisierungen zufolge wesentlich älter – zumeist wohl im Rentenalter – sein dürfte. Ein offizielles Antrittsalter ist, so erklärt uns die Obfrau der Goldhaubengruppe Bad Ischl im Interview, nicht vorgeschrieben. In Bad Ischl erfolgt die Aufnahme ausschließlich über die Obfrau. Im Interview mit uns erklärt sie, dass sie gezielt Frauen anspricht, die ihrer Meinung nach geeignete ‘Kandidatinnen’ für die Goldhaubengruppe sind. Inzwischen sind auch Männer zugelassen und unterstützen die Aktivitäten der Gruppe aktiv (Nöhammer, 2022).

Der gute Zweck, Tradition und Handwerk: Ziele der Goldhauben

Die Bad Ischler Goldhauben engagieren sich bei festlichen Anlässen und Brauchtumsveranstaltungen, die den Jahreslauf der Region bestimmen. Eingebunden sind sie in das breite Bad Ischler Vereinswesen, zu welchem durch Ehemänner, Familienmitglieder sowie Bekannte enge Kontakte bestehen. Die Obfrau berichtete im Interview von engem Austausch und Absprache mit anderen Vereinen, die mit vereinten Kräften Veranstaltungen und Feierlichkeiten in Bad Ischl ausrichten oder unterstützen. So nehmen sie zum Beispiel bei Festumzügen teil und bieten Verköstigungen während der Events an.

Die Einnahmen aus Veranstaltungen sowie Spenden dienen insbesondere der Unterstützung sozialer oder kultureller Projekte. So halfen die Goldhauben bei der Finanzierung der Sanierung der städtischen Kirchenorgel (Gratzer, 2022). Eine Goldhaube erzählte uns im Interview stolz von der Organisation von Bazaren sowie „Kekserlständen“, mit deren Einnahmen die Gruppe karitative Zwecke unterstützt (Interview Anonym, 2023).

Die Goldhauben sehen sich dem “guten Zweck”, der „Gemeinschaft“ und „Tradition“ verpflichtet (Interview Anonym, 2023).  Der selbstgewählte Leitspruch der Ischler Gruppe lautet diesbezüglich: „Getreu dem Alten und offen für Neues” (o. A.: Goldhauben-, Kopftuch- und Schwammerlhutgruppe Bad Ischl). Ziel ist somit ein Spagat zwischen Tradition und Moderne; Tradition soll „gepflegt“ und „bewahrt“ werden, aber zugleich zeigen sie sich bereit dazu, sich gesellschaftlich weiterzuentwickeln.

Als Beispiel für die Traditionspflege führte die genannte Goldhaube im Interview die sogenannten Mädchenhauben an. Wie die Goldhauben trugen auch Mädchen eine eigene Kopfbedeckung. Diese wird nun von den Bad Ischler Goldhaubenfrauen für Kinder gefertigt. Den Mädchen werden somit das Handwerk sowie die Gruppenaktivitäten nähergebracht. Sie erfahren dadurch eine Einbindung in die Gruppengemeinschaft (Interview Anonym, 2023).

Als wir eine Goldhaube fragten, warum sie sich in der Gruppe engagiere, antwortete sie, dass Religion, politische Einstellung oder der gesellschaftliche Status der Mitglieder keine Rolle spielen, vielmehr sind es die Tätigkeiten der Gruppe, ihr Wirken für den sozialen Zweck, das Gemeinschaftsgefühl und die Liebe zur Handarbeit, weshalb sie eine Goldhaube ist (Mailverkehr mit einer Goldhaube, 2023). Das Selbstbildnis der Mitglieder verortet sich somit in dem Wirken und dem Agieren innerhalb der Gemeinschaft sowie der handwerklichen und brauchtumsgebundenen Traditionspflege.

Mädchenhaube von hinten (Bild: Petermann)

„Die Goldhaube und der Döner“ – Skandal um ein Foto

Im Zuge der Programmplanung für die Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 sollte im Rahmen eines Fotoprojekts “Neues gewagt” werden (Protokoll eines informellen Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Kulturhauptstadt, 2023). Das Foto, das dabei entstand, zeigt eine Goldhaube tragende Frau in Tracht, die einen Döner Kebap in ihren Händen hält, in den sie hineinzubeißen ansetzt.

Die Initiator:innen des Projekts wollten einen Eyecatcher schaffen, der das Spannungsfeld zwischen traditioneller Vereinskultur sowie neuen Einflüssen ‘von außen’ artikuliert und damit die Zuschreibung der abgeschlossenen und besonders traditionsbewussten Region des Salzkammerguts aufbricht. „Die Goldhaube und der Döner“ war als lustiges Bild gedacht, so ein Mitarbeiter des Kulturhauptstadtbüros auf unsere Nachfrage (Protokoll eines informellen Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Kulturhauptstadt, 2023).

Das Foto löste jedoch vor Ort einen Skandal zwischen den Bad Ischler Goldhauben und dem Team der Kulturhauptstadt aus. Rasch griffen die Medien in ihrer Berichterstattung die Kontroverse auf. Die Goldhauben beklagten die Inszenierung der Goldhaube mit grimmigem Gesichtsausdruck sowie die fehlende Rücksprache mit der Gruppe (Zeko 2023/Egger 2023). Dem Foto wurde negative Publicity attestiert.  Eine Goldhaube bestätigte uns im Gespräch die Inszenierung der Goldhaubenträgerin als misslungen und unwürdig, da sie ungepflegt wirke (Interview Anonym, 2023). Kommentare zum Onlinezeitungsartikel fielen in diesen Tenor ein und äußerten allgemeine Kritik an der Kulturhauptstadtorganisation (Zeko 2023/Egger 2023).

Abgedrucktes Konfliktfoto in Broschüre vor dem KHS-Büro in Bad Ischl (Bild: CulturCard – KHS-Büro)
Folder mit „glücklicher“ Goldhaube (Bild: Programmbuch KHS, S. 88)

Letztlich fand das Büro der Kulturhauptstadt einen Kompromiss, mit dem beide Parteien scheinbar gut leben können: Die Goldhaubenträgerin ist nun mit einem Lachen und glücklicheren Gesichtsausdruck im Folder abgebildet (Programmbuch 2024: 88,89 / Protokoll eines informellen Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Kulturhauptstadt, 2023). 

Durch diesen Skandal rückten die Goldhauben im Salzkammergut ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, um die sich eine Debatte um Modernität sowie Tradition entzündete. Ganz im Sinne des Mottos „Getreu dem Alten und offen für Neues“ pflegt die Goldhaubengruppe die Erhaltung der Tracht sowie die Weitergabe von Handwerkswissen. Ebenso wagen sie sich an die Schaffung neuer Traditionen wie beispielsweise durch die verstärkte Eingliederung jüngerer Mitglieder in die Gemeinschaft mit Hilfe der Mädchenhaube. Das Selbstbildnis der Goldhaubengruppe ist vor allem durch den Gemeinschaftsgedanken sowie das Engagement für den guten Zweck geprägt.

Ausblick

Die Goldhauben in Bad Ischl sind eine Gruppe, die sich ein feingliedriges soziales Netzwerk innerhalb des Verbands sowie nach außen hin aufgebaut hat, wodurch sie in der städtischen Vereinslandschaft fest verankert ist. Neben gemeinsamer Handarbeit bilden familiäre Verbindungen und das wohltätige Engagement, welches zu regelmäßigen Treffen und Austausch unter den Mitgliedern führt, ein entscheidendes Element, das den Reiz für die Beteiligten ausmacht. Diese Treffen dienen meistens dem Zweck Traditionen fortzuführen, wie zum Beispiel die Handwerkskunst der Tracht aufrecht zu erhalten oder sich bei Feierlichkeiten und Brauchtumsveranstaltungen in der Region zu präsentieren. Dies erfolgt ganz im Sinne des ersten Teils des Leitspruchs „Getreu dem Alten und offen für Neues“.

Die Bereitschaft, offen für Neues zu sein, scheint bei den Goldhauben allerdings schnell zu enden. Mit dem Fotoprojekt, bei dem die Goldhaube mit dem Döner entstand, wollte die Kulturhauptstadt etwas Neues wagen, wohingegen die Goldhauben empört reagierten und an der traditionellen Inszenierung der perfekt hergerichteten Goldhaube festhielten. Die Goldhauben finden sich somit im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, in der Pflege des Alten und der Transformation hin zum Neuen.

Literatur und Quellen

Egger, Gabriel (07.10.2023): Warum ein Kebap zu Kontroversen in der künftigen Kulturhauptstadt führt, in: OÖ Nachrichten, [online], https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/salzkammergut/warum-ein-kebap-zu-kontroversen-in-der-kuenftigen-kulturhauptstadt-fuehrt;art71,3886341 (25.08.2024). 

Gratzer, Philipp (17.05.2022): Orgelweintaufe als Auftakt zur Sanierung der „Kaiser Jubiläums Orgel“, in: MeinBezirk, [online], https://www.meinbezirk.at/salzkammergut/c-lokales/orgelweintaufe-als-auftakt-zur-sanierung-der-kaiser-jubilaeums-orgel_a5350582 (13.12.2024).

Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut (2024): Goldhaube, Kopftuch, Hut… suchen dich! – Salzkammergut 2024

Mailverkehr mit einem Goldhauben Mitglied, 2023.

Nöhammer, Agnes (20.12.2022): Sensation bei den Goldhauben: Es gibt männlichen Neuzugang, in: MeinBezirk, [online] https://www.meinbezirk.at/ried/c-lokales/sensation-bei-den-goldhauben-es-gibt-maennlichen-neuzugang_a5780638 (13.12.2024).

Protokoll Interview Anonym, 2023. 

Protokoll eines informellen Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Kulturhauptstadt, 2023.

Pühringer, Martina (o. J.): Schön, dass sie zu uns gefunden haben! in: OÖ. Goldhauben-, Kopftuch- und Hutgruppen, [online] https://goldhaubenooe.jimdofree.com/ (04.09.2024). 

Programmbuch der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024, 88-89, in: Salzkammergut 2024. European Capital of Culture Bad Ischl Salzkammergut, [online], https://www.salzkammergut-2024.at/wp-content/uploads/2024/01/Programmbuch-Salzkammergut-2024-v2.pdf (04.09.2024). 

Rohrhofer, Barbara (o. J.): Die Goldhaube: Warum dieses Gold nachhaltig ist und Kekse die beste Währung sind, in: Ober Österreich, [online], https://www.oberoesterreich.at/magazin/die-goldhaube.html (29.08.2024). 

Wicke, Maria (o. J.): Goldhauben-, Kopftuch- und Schwammerlhutgruppe Bad Ischl, in: Goldhauben-, Kopftuch- und Hutgruppen Bezirk Gmunden, [online], http://www.goldhauben.info/ortsgruppen/bad_ischl.php (04.09.2024).

Zeko, Mario (06.10.2023): Neue “Kultur Card” schmeckt Goldhauben gar nicht, in: Kronen Zeitung, [online], https://www.krone.at/3132197 (25.08.2024).